BuG:BuG I, A 202
Gießen 18./19. 8. 1772

Dichtung und Wahrheit XII (WA I 28, 166)

Gießen 18./19. 8. 1772

Bei einem so lebhaften Austausch von Kenntnissen, Meinungen, Überzeugungen, lernte ich Höpfnern sehr bald näher kennen und gewann ihn lieb. Sobald wir allein waren, sprach ich mit ihm über Gegenstände seines Fachs, welches ja auch mein Fach sein sollte, und fand eine sehr natürlich zusammenhängende Aufklärung und Belehrung. Ich war mir damals noch nicht deutlich bewußt, daß ich wohl aus Büchern und im Gespräch, nicht aber durch den zusammenhängenden Kathedervortrag etwas lernen konnte ... Und so war es mir auch in den juristischen Collegien ergangen, weßhalb ich gar manchen Anlaß nehmen konnte, mich mit Höpfnern zu besprechen, der denn sehr gern in meine Zweifel und Bedenken einging, auch manche Lücken ausglich, so daß in mir der Wunsch entstand, in Gießen bei ihm zu verweilen, um mich an ihm zu unterrichten, ohne mich doch von meinen Wetzlarischen Neigungen allzu weit zu entfernen. Gegen diesen meinen Wunsch arbeiteten die beiden Freunde erst unwissend, sodann wissentlich: denn beide eilten nicht allein selbst von hier wegzukommen, sondern beide hatten sogar ein Interesse, mich aus dieser Gegend wegzubringen.

Schlosser entdeckte mir, daß er erst in ein freundschaftliches, dann in ein näheres Verhältniß zu meiner Schwester gekommen sei, und daß er sich nach einer baldigen Anstellung umsehe, um sich mit ihr zu verbinden. Diese Erklärung machte mich einigermaßen betroffen, ob ich sie gleich in meiner Schwester Briefen schon längst hätte finden sollen ...

Meinem Freund und vermuthlichen Schwager war nun freilich sehr daran gelegen, daß ich nach Hause zurückkehrte, weil durch meine Vermittelung ein freierer Umgang möglich ward, dessen das Gefühl dieses von zärtlicher Neigung unvermuthet getroffenen Mannes äußerst zu bedürfen schien. Er nahm daher, als er sich bald entfernte, von mir das Versprechen, daß ich ihm zunächst folgen wollte.

Von Mercken, der eben freie Zeit hatte, hoffte ich nun, daß er seinen Aufenthalt in Gießen verlängern würde, damit ich einige Stunden des Tags mit meinem guten Höpfner zubringen könnte, indessen der Freund seine Zeit an die Frankfurter gelehrten Anzeigen wendete; allein er war nicht zu bewegen, und wie meinen Schwager die Liebe, so trieb diesen der Haß von der Universität hinweg. Denn wie es angeborene Antipathien gibt, so wie gewisse Menschen die Katzen nicht leiden können, andern dieses oder jenes in der Seele zuwider ist, so war Merck ein Todfeind aller akademischen Bürger, die nun freilich zu jener Zeit in Gießen sich in der tiefsten Rohheit gefielen ... Höpfners Einladungen und mein Zureden halfen nichts, ich mußte baldmöglichst mit ihm nach Wetzlar wandern.

L. J. F. Höpfner an R. E. Raspe 19. 10. 1772 (Weimar. Jahrbuch 3, 66)

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Gießen 18./19. 8. 1772

Mit Merck und Göthe habe viel vergnügte Stunden gehabt (Göthe in parenthesi ist Doctor iuris in Frankfurt und hat unter andern Ihres Freundes Klotz Leben par Mons. Hausen auch den Polnischen Juden in der Fr[ank]f[urter] Zeit[ung] recensirt). Schmid kam einst in unsre Gesellschaft. Aber Himmel wie ging es dem armen Sünder. Feiner, witziger und boshafter ist noch nie ein Mensch gegeiselt worden, als er. M[erck] sagte von ihm, als er weg war, die Natur habe ihn in einem onanitischen Act an die Wand geworfen.

L. J. F. Höpfner an Nicolai 18. 2. 1773 (GJb 8, 125)

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Gießen 18./19. 8. 1772

Die Kritik von Gessners Idyllen war freilich ungerecht. Ich habe mit dem Recensenten [Goethe] lange darüber gezankt.

L. J. F. Höpfner an Nicolai 11. 9. 1773 (GJb 8, 126)

Gießen 18./19. 8. 1772

Götz von Berlichingen haben Sie doch schon gelesen? Ich wünschte dass Sie den Verf. persönlich kennten, ein Mensch der bei seinem wahren Genius der beste gutherzigste liebenswürdigste Sterbliche ist. Auf seine und Mercks Freundschaft bin ich sehr stolz.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0202 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0202.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 207 f. (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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