BuG:BuG I, A 162
Straßburg 14. 5. 1771

J. H. Jung-Stilling, Lebensgeschichte (Grollmann S. 279)

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Straßburg 14. 5. 1771

Stilling stürzte wie ein Rasender [über die Nachricht von einer gefährlichen Krankheit seiner Braut] von einer Wand an die andere, er weinte nicht, seufzte nicht, sondern sah aus wie einer, der an seiner Seligkeit zweifelt; er besann sich endlich so viel, daß er seinen Schlafrock auswarf, seine Kleider anzog, und mit dem Brief zu Herrn Göthe hintaumelte. Sobald er in sein Zimmer hinein trat, rief er mit Seelenzagen: Ich bin verloren! da lies den Brief! Göthe las, fuhr auf, sah ihn mit nassen Augen an, und sagte: Du armer Stilling! Nun ging er mit ihm zurück nach seinem Zimmer. Es fand sich noch ein wahrer Freund, dem Stilling sein Unglück klagte, dieser ging auch mit. Göthe und dieser Freund packten ihm das Nöthige in sein Felleisen, ein Anderer suchte Gelegenheit für ihn, wodurch er wegreisen könnte, und diese fand sich, denn es lag ein Schiffer auf der Preusch parat, der den Mittag nach Mainz abfuhr und Stillingen gern mitnahm ... Nachdem nun Göthe das Felleisen bereit hatte, so lief er und besorgte Proviant für seinen Freund, trug ihm den ins Schiff; Stilling ging reisefertig mit. Hier letzten sich Beide mit Thränen.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0162 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0162.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 173 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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