BuG:BuG I, A 12
Frankfurt 13. 4. 1759

Dichtung und Wahrheit III (WA I 26, 154)

Frankfurt 13. 4. 1759

So kam denn endlich, nach einer unruhigen Charwoche, 1759 der Charfreitag [13. April, Schlacht bei Bergen] heran ... Die Mutter und wir Kinder, die wir schon früher auf des Grafen [Thoranc] Wort gebaut und deßhalb einen ziemlich beruhigten Tag hingebracht hatten ... wünschten unserm Vater gleichen Glauben und gleiche Gesinnung, wir schmeichelten ihm was wir konnten, wir baten ihn etwas Speise zu sich zu nehmen, die er den ganzen Tag entbehrt hatte; er verweigerte unsre Liebkosungen und jeden Genuß, und begab sich auf sein Zimmer. Unsre Freude ward indessen nicht gestört; die Sache war entschieden; der Königslieutenant, der diesen Tag gegen seine Gewohnheit zu Pferde gewesen, kehrte endlich zurück, seine Gegenwart zu Hause war nöthiger als je. Wir sprangen ihm entgegen, küßten seine Hände und bezeugten ihm unsre Freude. Es schien ihm sehr zu gefallen. „Wohl! sagte er freundlicher als sonst, ich bin auch um euertwillen vergnügt, liebe Kinder!“ Er befahl sogleich uns Zuckerwerk, süßen Wein, überhaupt das Beste zu reichen, und ging auf sein Zimmer, schon von einer großen Masse Dringender, Fordernder und Bittender umgeben.

Wir hielten nun eine köstliche Collation, bedauerten den guten Vater, der nicht Theil daran nehmen mochte, und drangen in die Mutter, ihn herbei zu rufen; sie aber klüger als wir wußte wohl, wie unerfreulich ihm solche Gaben sein würden.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0012 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0012.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 16 f. (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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