BuG:BuG I, A 426
Schwyz - Vierwaldstätter See - St. Gotthard 21. 6. 1775

Reisetagebuch 21. 6. 1775 (WA III 1, 6)

St. Gotthard 21. 6. 1775

21. halb 7 aufwärts. allmächtig schröcklich.

Geschten. gezeichnet. Noth und Müh und schweis ... an der Matte trefflicher Käss. Sauwohl u Projeckte.

ab 35 Min auf 4 ... eine Stunde aus dem Liviner thal ins Urseler.

Dichtung und Wahrheit XVIII (WA I 29, 121)

St. Gotthard 21. 6. 1775

Den 21sten halb sieben Uhr aufwärts; die Felsen wurden immer mächtiger und schrecklicher; der Weg bis zum Teufelsstein, bis zum Anblick der Teufelsbrücke immer mühseliger. Meinem Gefährten beliebte es hier auszuruhen; er munterte mich auf, die bedeutenden Ansichten zu zeichnen. Die Umrisse mochten mir gelingen, aber es trat nichts hervor, nichts zurück; für dergleichen Gegenstände hatte ich keine Sprache. Wir mühten uns weiter; das ungeheure Wilde schien sich immer zu steigern, Platten wurden zu Gebirgen und Vertiefungen zu Abgründen. So geleitete mich mein Führer bis an’s Urserner Loch, durch welches ich gewissermaßen verdrießlich hindurchging; was man bisher gesehen, war doch erhaben, diese Finsterniß hob alles auf.

Aber freilich hatte sich der schelmische Führer das freudige Erstaunen voraus vorgestellt, das mich bei’m Austritt überraschen mußte. Der mäßig schäumende Fluß schlängelte sich hier milde durch ein flaches, von Bergen zwar umschlossenes, aber doch genugsam weites, zur Bewohnung einladendes Thal ... Die Beruhigung war groß, man fühlte auf flachen Pfaden die Kräfte wieder belebt, und mein Reisegefährte that sich nicht wenig zu Gute auf die Überraschung, die er so schicklich eingeleitet hatte.

An der Matte fand sich der berühmte Urserner Käse, und die exaltirten jungen Leute ließen sich einen leidlichen Wein trefflich schmecken, um ihr Behagen noch mehr zu erhöhen und ihren Projecten einen phantastischeren Schwung zu verleihen.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0426 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0426.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 348 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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