BuG:BuG I, A 406
Karlsruhe 17. 5. 1775

Dichtung und Wahrheit XVIII (WA I 29, 96)

Karlsruhe 17. 5. 1775

Nachdem die nunmehr als englisch angesprochenen Gläser unsre Zeche verstärkt hatten, eilten wir nach Karlsruhe getrost und heiter, um uns zutraulich und sorglos in einen neuen Kreis zu begeben. Wir fanden Klopstock daselbst, welcher seine alte sittliche Herrschaft über die ihn so hoch verehrenden Schüler gar anständig ausübte, dem ich denn auch mich gern unterwarf, so daß ich, mit den andern nach Hof gebeten, mich für einen Neuling ganz leidlich mag betragen haben. Auch ward man gewissermaßen aufgefordert, natürlich und doch bedeutend zu sein.

Der regierende Herr Markgraf, als einer der fürstlichen Senioren, besonders aber wegen seiner vortrefflichen Regierungszwecke unter den deutschen Regenten hoch verehrt, unterhielt sich gern von staatswirthlichen Angelegenheiten. Die Frau Markgräfin, in Künsten und mancherlei guten Kenntnissen thätig und bewandert, wollte auch mit anmuthigen Reden eine gewisse Theilnahme beweisen; wogegen wir uns zwar dankbar verhielten, konnten aber doch zu Hause ihre schlechte Papierfabrication und Begünstigung des Nachdruckers Macklot nicht ungeneckt lassen. Am bedeutendsten war für mich, daß der junge Herzog von Sachsen-Weimar mit seiner edlen Braut, der Prinzessin Louise von Hessen-Darmstadt, hier zusammenkamen, um ein förmliches Ehebündniß einzugehen; wie denn auch deßhalb Präsident von Moser bereits hier angelangt war, um so bedeutende Verhältnisse in’s Klare zu setzen und mit dem Oberhofmeister Grafen Görtz völlig abzuschließen. Meine Gespräche mit beiden hohen Personen waren die gemüthlichsten, und sie schlossen sich, bei der Abschieds-Audienz, wiederholt mit der Versicherung: es würde ihnen beiderseits angenehm sein, mich bald in Weimar zu sehen.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0406 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0406.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 335 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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