BuG:BuG I, A 474
Frankfurt Sept/Okt 1775

An Sophie v. La Roche 11. 10. 1775 (WA IV 2, 300)

Frankfurt Sept/Okt 1775

Die Max ist hold, wird in meiner Abwesenheit noch freyer mit meiner Mutter seyn, obgleich Brent[ano] allen Anschein von Eifersucht verbirgt, oder auch vielleicht mich iezzo für harmlos hält.

Dichtung und Wahrheit XX (WA I 29, 179)

Frankfurt Sept/Okt 1775

Ich entschloß mich ... abermals zur Flucht, und es konnte mir deßhalb nichts erwünschter sein, als daß das junge herzoglich Weimarische Paar von Karlsruhe nach Frankfurt kommen und ich, früheren und späteren Einladungen gemäß, ihnen nach Weimar folgen sollte. Von Seiten jener Herrschaften hatte sich ein gnädiges, ja zutrauliches Betragen immer gleich erhalten, das ich von meiner Seite mit leidenschaftlichem Danke erwiderte ...

Das junge fürstliche Paar erreichte nunmehr auf seinem Rückwege Frankfurt. Der herzoglich Meiningische Hof war zu gleicher Zeit daselbst, und auch von diesem und dem die jungen Prinzen geleitenden Geheimenrath von Dürkheim ward ich auf’s freundlichste aufgenommen. Damit aber ja, nach jugendlicher Weise, es nicht an einem seltsamen Ereigniß fehlen möchte, so setzte mich ein Mißverständniß in eine unglaubliche obgleich ziemlich heitere Verlegenheit.

Die Weimarischen und Meiningischen Herrschaften wohnten in Einem Gasthof. Ich ward zur Tafel gebeten. Der Weimarische Hof lag mir dergestalt im Sinne, daß mir nicht einfiel, mich näher zu erkundigen, weil ich auch nicht einmal einbildisch genug war zu glauben, man wolle von Meiningischer Seite auch einige Notiz von mir nehmen. Ich gehe wohlangezogen in den Römischen Kaiser, finde die Zimmer der Weimarischen Herrschaften leer, und da es heißt, sie wären bei den Meiningischen, verfüge ich mich dorthin und werde freundlich empfangen. Ich denke, dieß sei ein Besuch vor Tafel oder man speise vielleicht zusammen, und erwarte den Ausgang. Allein auf einmal setzt sich die Weimarische Suite in Bewegung, der ich denn auch folge; allein sie geht nicht etwa in ihre Gemächer, sondern gerade die Treppe hinunter in ihre Wägen und ich finde mich eben allein auf der Straße.

Anstatt mich nun gewandt und klug nach der Sache umzuthun und irgend einen Aufschluß zu suchen, ging ich, nach meiner entschlossenen Weise, sogleich meinen Weg nach Hause, wo ich meine Eltern bei’m Nachtische fand. Mein Vater schüttelte den Kopf, indem meine Mutter mich so gut als möglich zu entschädigen suchte. Sie vertraute mir Abends: als ich weggegangen, habe mein Vater sich geäußert: er wundre sich höchlich, wie ich, doch sonst nicht auf den Kopf gefallen, nicht einsehen wollte, daß man nur von jener Seite mich zu necken und mich zu beschämen gedächte. Aber dieses konnte mich nicht rühren: denn ich war schon Herrn von Dürkheim begegnet, der mich, nach seiner milden Art, mit anmuthigen scherzhaften Vorwürfen zur Rede stellte. Nun war ich aus meinem Traum erwacht und hatte Gelegenheit, für die mir gegen mein Hoffen und Erwarten zugedachte Gnade recht artig zu danken und mir Verzeihung zu erbitten.

Nachdem ich daher so freundlichen Anträgen aus guten Gründen nachgegeben hatte, so ward Folgendes verabredet. Ein in Karlsruhe zurückgebliebener Cavalier [v. Kalb], welcher einen in Straßburg verfertigten Landauer Wagen erwarte, werde an einem bestimmten Tage in Frankfurt eintreffen, ich solle mich bereit halten, mit ihm nach Weimar sogleich abzureisen. Der heitere und gnädige Abschied, den ich von den jungen Herrschaften erfuhr, das freundliche Betragen der Hofleute, machten mir diese Reise höchst wünschenswerth, wozu sich der Weg so angenehm zu ebnen schien.

An Lavater 28. 9. 1775 (WA IV 2, 297)

Frankfurt Sept/Okt 1775

Der Herz[og] von Weimar ist hier, wird nun bald Luisen davon tragen ... Ich bin schon seit 14 Tagen ganz im Schauen der grosen Welt!

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0474 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0474.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 375 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

Zurück zum Seitenanfang