Briefe an Goethe: RA 1, Nr. 28
Von Johann Kaspar Lavater an Goethe und Susanne Katharine von Klettenberg

14. Mai 1774, Zürich

| 1 |


O wie innigst freüe ich mich der heitern
gefühlvollen schwesterlichen Seele, die
mich nun zum dritten mal mei-
nem himmlischen Freünde näher ruft!
– Ich küß ihr die Hand, izt im Geist,
in zween Monathen, will's der alles
leitende, leg' ich meine Augen über
ihre Hand, u: bethe an! Unterdeß sen-
det mir Goethe schnell der edlen Seele
Schatten – u: die liebe mütterliche
Lehrerin weht mich mit Ihrem himm-
lischen Geist an! Sie kann's! Sie will's!
und wird's!


Aber ja, theureste, beßte – – Tage zähl' | 2 |
ich u: Stunden, bis ich trink aus ihrem
Blicke, Christus Blicke! bis mein Arm
sie an's sehnende Herz drückt, die un-
schuldige aus den 144000!


Gewiß – bringst du mich weiter, oder
Niemand, meine Schwester – du mich
zur Einfalt, zur Ruhe, oder ich bleib'
im Wirbel ...


Aber dafür, daß du mir so entgegen-
kommst, wie dank' ich dir! Doch deine
Christus Freüde – wie viel mehr ist sie
als all mein Dank! Ich kann und
mag nicht viel schreiben – aber viel
dein gedenken, u: deines ewigen
Meinseyns – meines ewigen Dein- | 3 |
seyns! Lebe! Liebe! Leide! bist du
seelig, so mach mich seelig! Amen!


   
   
    L.


S: Zentralbibliothek Zürich  D: Briefe HA Nr. 22  B: -  A: 1774 Mai 20 (WA IV 2, Nr. 220)  V: Abschrift 

Vorfreude auf die Begegnung mit S. K. von Klettenberg. G. möge ihm schnell der edlen Seele Schatten senden.

| 1 |

 O wie innigst freüe ich mich der heitern gefühlvollen schwesterlichen Seele, die mich nun zum dritten mal meinem himmlischen Freünde näher ruft! – Ich küß ihr die Hand, izt im Geist, in zween Monathen, will's der alles leitende, leg' ich meine Augen über ihre Hand, u: bethe an! Unterdeß sendet mir Goethe schnell der edlen Seele Schatten – u: die liebe mütterliche Lehrerin weht mich mit Ihrem himmlischen Geist an! Sie kann's! Sie will's! und wird's!

 Aber ja, theureste, beßte – – Tage zähl'| 2 | ich u: Stunden, bis ich trink aus ihrem Blicke, Christus Blicke! bis mein Arm sie an's sehnende Herz drückt, die unschuldige aus den 144000!

 Gewiß – bringst du mich weiter, oder Niemand, meine Schwester – du mich zur Einfalt, zur Ruhe, oder ich bleib' im Wirbel ...

 Aber dafür, daß du mir so entgegenkommst, wie dank' ich dir! Doch deine Christus Freüde – wie viel mehr ist sie als all mein Dank! Ich kann und mag nicht viel schreiben – aber viel dein gedenken, u: deines ewigen Meinseyns – meines ewigen Dein| 3 |seyns! Lebe! Liebe! Leide! bist du seelig, so mach mich seelig! Amen!

      L.

 

 
 

Nutzungsbedingungen

Kontrollen

Kontrast:
SW-Kontrastbild:
Helligkeit:

Zitierhinweis

Online-Edition:
RA 1, Nr. 28, in: https://goethe-biographica.de/id/RA01_0028_00030.

Druck des Regests: RA 1, Nr. 28.

Zurück zum Seitenanfang