Briefe an Goethe: RA 1, Nr. 5
Von Karoline Flachsland (Herder)

13. Juni 1772, Darmstadt

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Ists auch recht daß ich erst auf Anlaß des inliegenden
Briefs meiner Lila Ihnen schreibe lieber bester
Freund? hab ich Ihnen doch für Ihr Fels-
weiheGesang u. Wanderlied mit Herz u.
Seele gedankt u. Sie dafür umarmt!
Unser guter Merk wird es Ihnen nicht ge-
schrieben haben, ich weiß daß er zuweilen
solche Aufträge Vergißt, aber dann weiß
ich auch daß unser lieber guter Goethe mich
ein wenig kennt, u. da bin ich zufrieden.


   Mein Briefchen wird jetzt auch durch ein
Geschenck begleitet das mir gestern Abend
beym Mondschein, da ichs erhielt, eine
süße Abendstunde machte. ich wills nicht
länger behalten es soll zu Ihnen, es
ist so ganz unsre Lila darinnen.


   Sind die 3 Monath bald Vorbey?
werden wir Sie bald wiedersehn? o lieber
guter Freund was haben Sie zurück in
unsern Herzen gelaßen! wir stimmen | 2 |
zuweilen auf einmal an "wenn unser Goethe
doch wieder hier wäre!"–


Herder läßt Sie durch mich tausendmal
grüßen (wissen Sie daß ich an ihn schreibe,
u. daß es der Erste Briefwechsel meines
Herzens ist?) er will Ihnen Ihren
braven Berlichingen bald wiederschicken,
u. mir bald ein Drama "Brutus"
wenn ichs bekomme u. Sie noch nicht bald
zu uns kommen, u. es gern in Wetzlar
lesen? so schicke ichs Ihnen.


   So oft ich zum Felsen komme stecke ich
einen grünen Zweig, die ich sehr liebe,
u. Blumen darauf, umarme dann alle
meine Freunde, u. blicke gen Himmel –


   adieu lieber guter G., möchte Ihnen
doch oft wenn Sie an Ihre Freunde
denken u. mit ihnen wandeln ein gutes
Weib mit einem schönen Knaben begegnen!

   Uns gaben die Götter
   auf Erden Elysium.


    Flachslℓ.


S: Goethe-Museum Düsseldorf  D: DjG​26, 235f.  B: -  A: - 

F. schreibe auf Anlaß des inliegenden Briefs ihrer Freundin L. von Ziegler (später: von Stockhausen) und danke G. mit Herz u. Seele für seinen "Felsweihe-Gesang an Psyche" und sein Wanderlied ("Der Wandrer"). Merck werde es wohl vergessen haben, G. ihren Dank auszurichten. Auch erhalte G. anbei ein Geschenk, das ihr gestern [...] eine süße Abendstunde bereitet habe; es ist so ganz unsre Lila (L. von Ziegler) darinnen. - Wunsch, daß G.s dreimonatiger Aufenthalt in Wetzlar bald vorbei sein und er zu ihnen zurückkehren möge. Herder, mit dem F. den Ersten Briefwechsel ihres Herzens führe, lasse G. tausendmal grüßen und wolle die "Geschichte Gottfriedens von Berlichingen mit der eisernen Hand" bald wiederschicken. Sobald sie Herders Drama "Brutus" bekomme, wolle sie es G. zusenden. - So oft sie zum Felsen komme, schmücke sie ihn mit Blumen und denke an ihre Freunde. Anspielung auf G.s Gedicht "Der Wandrer", Zitat aus "Elysium. An Uranien".

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 Ists auch recht daß ich erst auf Anlaß des inliegenden Briefs meiner Lila Ihnen schreibe lieber bester Freund? hab ich Ihnen doch für Ihr FelsweiheGesang u. Wanderlied mit Herz u. Seele gedankt u. Sie dafür umarmt! Unser guter Merk wird es Ihnen nicht geschrieben haben, ich weiß daß er zuweilen solche Aufträge Vergißt, aber dann weiß ich auch daß unser lieber guter Goethe mich ein wenig kennt, u. da bin ich zufrieden.

  Mein Briefchen wird jetzt auch durch ein Geschenck begleitet das mir gestern Abend beym Mondschein, da ichs erhielt, eine süße Abendstunde machte. ich wills nicht länger behalten es soll zu Ihnen, es ist so ganz unsre Lila darinnen.

  Sind die 3 Monath bald Vorbey? werden wir Sie bald wiedersehn? o lieber guter Freund was haben Sie zurück in unsern Herzen gelaßen! wir stimmen| 2 | zuweilen auf einmal an "wenn unser Goethe doch wieder hier wäre!"–

 Herder läßt Sie durch mich tausendmal grüßen (wissen Sie daß ich an ihn schreibe, u. daß es der Erste Briefwechsel meines Herzens ist?) er will Ihnen Ihren braven Berlichingen bald wiederschicken, u. mir bald ein Drama "Brutus" wenn ichs bekomme u. Sie noch nicht bald zu uns kommen, u. es gern in Wetzlar lesen? so schicke ichs Ihnen.

  So oft ich zum Felsen komme stecke ich einen grünen Zweig, die ich sehr liebe, u. Blumen darauf, umarme dann alle meine Freunde, u. blicke gen Himmel –

 adieu lieber guter G., möchte Ihnen doch oft wenn Sie an Ihre Freunde denken u. mit ihnen wandeln ein gutes Weib mit einem schönen Knaben begegnen!  Uns gaben die Götter  auf Erden Elysium.   Flachslℓ.

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
RA 1, Nr. 5, in: https://goethe-biographica.de/id/RA01_0005_00006.

Druck des Regests: RA 1, Nr. 5.

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