Tagebuch­eintrag: GT, Nr. 1105
17. September 1786, Sonntag, Verona

d 17. Abends

Wenn nur gleich alles von diesem Tage auf dem Papier stünde es ist 8 Uhr |: una dopo notte :| und ich habe mich müde gelaufen, nun geschwind alles wie es kommen will.

Heute bin ich ganz unbemerkt durch die Stadt und auf dem Bra gegangen. Ich sah mir ab, wie sich ein gewisser Mittelstand hier trägt und lies mich völlig so kleiden. Ich hab einen unsäglichen Spas daran. Nun mach ich ihnen auch ihre Manieren nach. Sie schleudern Z. E. alle im Gehn mit den Armen. Leute von gewissem Stande nur mit dem rechten weil sie den Degen tragen und also die lincke stille zu halten gewohnt sind, andere mit beyden Armen. u. s. w.

Es ist unglaublich was das Volck auf etwas fremdes ein Auge hat. Daß sie die ersten Tage meine Stiefeln nicht verdauen konnten, da man sie als eine theure Tracht, nicht einmal im Winter trägt; aber daß ihnen heut früh da sie alle mit Blumen, Knoblauch pp durcheinander liefen ein Cypressenzweig nicht entging, den ich in dem Garten genommen hatte und den mein Begleiter in der Hand trug, |: es hingen einige grüne Zapfen1 dran und er hatte noch ein Capern Zweigelgen dabey die2 an der Stadt mauer wachsen :| das frappirte mich. Sie sahen alle Grose3 und Kleine ihm auf die Finger und hatten ihre Gedancken.

Diese Zweige bracht ich aus dem Garten Giusti der eine treffliche Lage und ungeheure Cypressen hat die alle Nadelförmig in die Luft stehn. |: die Taxus der Nordlichen Gärtnerey spitz zugeschnitten sind nachahmung dieses schönen Naturproduckts :| Ein Baum dessen Zweige von unten4 bis oben, dessen ältester Zweig wie der iüngste gen Himmel strebt, der seine 300 Jahre dauert, |: nach der Anlage des Gartens sollen sie älter seyn :| ist wohl einer Verehrung wehrt.

Sie sind noch meist von unten auf grün und es wärens mehrere wenn man dem Epheu der viele umfaßt hält und die untern Zweige erstickt, früher gesteuert hätte.

Ich fand Capern an der Mauer herab hängend blühen, und eine schöne Mimosa. Lorbern in den Hecken pp.

Die Anlage des Gartens ist mittelmäsich und gegen den Berg an dem er hinauf steigt kleinlich. Die Cypressen balanziren allein noch die Felsen. Davon einander mal wenn von andern Gärten die Rede seyn wird.

Ich sah die Fiera die ein würcklich schönes Institut.

Dann die Gallerie des Pall. Gherhardini, wo sehr schöne Sachen von Orbetto sind. In der Entfernung lernt man wemige Meister offt die nur dem Nahmen nach kennen, wenn man nun diesem Sternenhimmel näher tritt und nun die von der zweyten und dritten Gröse auch zu flimmern anfangen und ieder5 auch ein6 Stern ist, dann wird die Welt weit und die Kunst reich. Nur sind die Mahler mit ihren Sujets oft unglücklich. Und die Stücke mit mehrern Personen gerathen so selten. Die beste Composition fand ich hier: einen entschlafnen Simson im Schoos der Delila die eben leise nach der Scheere hinübergreift. Der Gedancke und die Ausführung sind sehr brav. Andres verschweig ich.

Im Pall. Canossa fiel mir eine Danae auf die ich hier nur bemerke. Schöne Fische vom Bolka.

Ich ging noch einmal ins Museum. Was ich von der Colonnade, von der Büste des Maffei pp7gesagt, bedarf einiger Einschränkung.

Von den Antiken sag ich nichts; sie sind in Kupfer gestochen, wenn ich sie wieder sehe fällt mir alles wieder ein. Der schöne Dreyfuß geht leider zu Grunde, er ist der Abendsonne und dem Abendwinde ausgesezt wenn sie nur ein hölzern Futteral drüber setzten.8

Der angefangne Pallast des Proveditor hätte ein schön Stück Baukunst gegeben wenn er fertig geworden wäre.

Sonst bauen die Nobili noch viel leider ieder auf dem Plaz wo sein Pallazzo9 schon steht also oft in engen Gassen. So wird iezt eine prächtige Facade eines Seminarii gebaut in einen Gäßgen der entfernten Vorstadt.

Diesen Abend ging ich wieder ins Amphitheater. Ich muß erst mein Auge bilden, mich zu sehen gewöhnen. Es bekräfftigte sich mir was ich des erstemal sagte. Auch müssen die Veronenser wegen der Unterhaltung gelobt werden. Die10 Stufen oder Sitze scheinen fast alle neu. Eine11Inschrift gedenckt eines Hieronymus Maurigenus und seines unglaublichen Fleißes mit Ehren.

Ich ging auf der Kante des Craters auf der obersten Stufe bey Sonnen Untergang herum die Nacht |: Notte, die 24ste Stunde :| erwartend. Ich war ganz allein und unten auf den breiten Steinen des Bra gingen Mengen von Menschen, Männer von allen Ständen, Weiber vom Mittelstande12 spazieren.

Hier ein Wort vom Zendale den sie tragen und der Veste. Diese Tracht ist recht eingerichtet für ein Volk das nicht immer reinlich seyn mögte und doch offt öffentlich erscheinen, bald in der Kirche bald auf13 dem Spaziergang seyn will. Veste ist ein schwarzer Tafftener Rock der über andre Röcke geworfen wird. Hat das Frauenzimmer einen reinlichen |: meist weißen :| darunter; so weiß14 sie den schwarzen an einer Seite in die Höhe zu heben. Dieser schwarze Rock wird so angethan daß er die Taille abscheidet und die Lizzen des Corsets bedeckt. Das Corsett ist von jeglicher Farbe. Der Zendale ist eine grose Kappe mit langen Bärten, die Kappe halten sie mit einer Maschine von Dräten hoch über den Kopf und die Bärte werden wie eine Schärpe um den Leib hinterwärts geknüpft und fallen die Enden hinten hinunter.


Casa Bevi l’aqua.15

Schöne, treffliche Sachen.

Ein Paradies oder von Tintoret16 vielmehr die Krönung17 Mariä zur Himmelsköniginn in Gegenwart aller Erzväter, Propheten, Heiligen, Engel pp. ein unsinniger Gedancke mit dem schönsten Genie ausgeführt. Eine Leichtigkeit von Pinsel, ein Geist, ein Reichthum im Ausdruck, den zu bewundern und dessen sich zu freuen man das Stück selbst besitzen18 müßte, denn die Arbeit geht, man darf wohl sagen in’s unendliche, und die lezten Engelskopfe haben einen Charackter, die grösten Figuren mögen einen Fus gros seyn, Maria und Christus der ihr die Krone aufsetzt mögen ohngefahr 4 Zoll haben. Die Eva ist doch das schönste Weibgen auf dem Bilde und noch immer von Alters her ein wenich lüstern.

Ein Paar Portraits von Paolo Veronese haben meine Hochachtung für diesen Künstler nur vermehrt.

Die Anticken sind schön. Ein Endymion gefiel mir sehr wohl. Die Büsten die meist restaurirte Nasen haben sehr interessant. Ein August mit der Corona civica.Ein Caligula pp.


Uhr19

Damit dir die italiänische Uhr leicht begreiflich werde hab ich gegenüberstehendes Bild erdacht.


Vergleichungs Kreis der italiänischen

und teutschen Uhr auch der ital. Zeiger

für die zweyte Hälfte des Septembers.


〈Hier eine Zeichnung, siehe Digitalisat〉


Die Nacht wächst mit jedem halben Monat eine halbe Stunde.

Der Tag wächst m. jed. halb. M. eine halbe Stunde



Monat.

Tag.

Wird Nacht nach unserm Zeiger

ist Mittern.

alsdann um

Mon.

Tag.

Wird Nacht nach unsern Zeiger

ist Mitternacht aldann um:

Aug.

1.

8 ½

3 ½

Febr

1.

5 ½

6 ½

15.

8.

4

15

6.

6.

Sept.

1

7 ½

4 ½

März

1.

6 ½

5 ½

15

7.

5.

15.

7.

5.

Octb.

1

6 ½

5 ½

Apr.

1.

7 ½

4 ½

15

6.

6

15.

8.

4.

Nov.

1

5 ½

6 ½

May

1

8 ½

3 ½

15.

7.

15

9.

3.

Von da an bleibt die Zeit stehen und ist Nacht.

 

Von da bleibt die Zeit stehen und ist Nacht

 

Mitternacht

 

Mitternacht

Dezemb

 

Juni

 

 

 

5.21

7.

9.

3.

Januar

 

Juli

 

 


Der innere Kreis sind unsere 24 Stunden von Mitternacht bis wieder Mitternacht, in zweymal zwölf getheilt, wie wir zählen und unsre Uhren sie zeigen. Der mittelste Kreis zeigt an wie die Glocken in der ietzigen Jahrszeit22 hier schlagen nähmlich auch23 in 24 Stunden zweymal 12. allein dergestalt daß es 1 schlägt wenn bey uns 8 schlägt und so fort, bis die zwölfe voll sind. Morgens um 8 Uhr nach unserm Zeiger24 schlägt es wieder 1. und so fort.

Der oberste Kreis zeigt nun eigentl. an wie bis 24 würcklich gezählt wird. Ich höre also in der Nacht 7 schlagen und weis daß Mitternacht um 5 ist, subtrahire ich special fraction 1 ist 2 Uhr nach Mitternacht.

Hör ich am Tage25 7 schlagen; so weiß ich daß Mitternacht um 5 Uhr ist und also auch Mittag der Glocke nach26 ich mache also die vorige Operation special fraction 1 es ist also 2 Uhr nach Mittag. Will ich es aber aussprechen; so muß ich wissen daß Mittag um 17 Uhr ist und addire also nunmehr special fraction 1 und sage neunzehn Uhr, wenn ich nach unsrer Uhr um zwey sagen will.

Wenn du das gelesen hast und meine Tafel ansiehst; wird dirs im Anfang schwindlich im Kopfe werden, du wirst ausrufen: welche Unbequemlichkeit, und doch am Orte ist man’s nicht allein bald27 gewohnt sondern man findet auch Spas daran wie das Volck dem das ewige hin und wieder rechnen und vergleichen zur Beschäfftigung dient. Sie haben ohne dies immer die Finger in der Luft rechnen alles im Kopfe und machen sich gerne mit Zahlen zu schaffen.

NB.28 Die Innländer bekümmern sich wenig um Mittag und Mitternacht sondern sie zählen nur vom Abend wenn es schlägt die Stunden wie sie schlagen, und am Tage wenn es schlägt addiren sie die Zahl zu 12.

Nun kommt aber die Hauptsache. In einem Lande wo man des Tags genießt, besonders aber sich des Abends freut, ist es höchst bedeutend wenn es Nacht wird. Wann die Arbeit des Tags aufhöre? Wann der Spaziergänger ausgehn und zurückkommen muß. Mit einbrechender Nacht will der Vater seine Tochter wieder zu Hause haben pp die Nacht schliest den Abend und macht dem Tag ein Ende. Und29 was ein Tag sey wissen wir Cimmerier im ewigen Nebel und Trübe kaum, uns ists einerley obs Tag oder Nacht ist, denn welcher Stunde können wir uns unter freyem Himmel freuen. Wie also die Nacht eintritt ist der Tag aus, der aus Abend und Morgen bestand, 24 Stunden sind vorbey, der Rosenkranz wird gebetet und eine neue Rechnung geht an.

Das verändert sich mit ieder Jahrszeit und die eintretende Nacht macht immer merckliche Epoche, daß ein Mensch der hier lebt nicht wohl irre werden kann.

Man würde dem Volck sehr viel nehmen wenn man ihm den deutschen Zeiger aufzwänge, oder vielmehr man kann und soll dem Volck nichts nehmen was so intrinsec mit seiner Natur verwebt ist.

Anderthalb Stunden, eine Stunde vor Nacht fängt der Adel an auszufahren. Es geht auf den Bra die lange breite strase nach der Porta nuova zu, das Thor hinaus an der Stadt hin, und wie es Nacht schlägt kehrt alles um, theils fahren sie an die Kirchen das Ave maria della sera zu beten, theils halten sie auf dem Bra und lassen sich da die Damen die Cour machen von Cavaliers, die an die Kutsche treten und das dauert denn so eine Weile, ich hab es nie abgewartet biß ein Ende war. Die Fußgänger bleiben aber bis weit in die Nacht.

Es hatte eben geregnet und der Staub war gelöscht, da war es würcklich ein lebendiger und muntrer Anblick.


Witterung.

Es donnerte blitzte und regnete völlig, zwölf Stunden dann war es wieder schön heiter. Uberhaupt beklagen sie sich hier auch über einen übeln Sommer. Sie mögen ihn nicht so rein gehabt haben als andre Jahre aber ich merke auch,30 sie sind höchst unleidsam. Weil sie des guten gewohnt sind alles in Schuen und Strümpfen und leichten Kleidern herum läuft; so fluchen und schelten sie auch gleich über ein wenig Wind und Regen, über den wir uns erfreuen würden wenn er so sparsam käme.

Ich habe bemerkt daß sich nach dem Regen bald die Wolcken gegen das Tyroler Gebirg warfen und dort hängen blieben auch ward es nicht ganz wieder rein. Das Zieht nun alles Nordwärts, und wird euch trübe und kalte Tage machen.

Hierher kommen wahrscheinlich die Wolke und Regen aus dem Pothal, oder noch ferner vom31Meere und so gehts weiter wie ich weitläufig32im33 vorhergehenden gemeldet.34

Noch bemerk ich35

die Schönheit der Porta del Pallio von aussen.

Das dunckle Alterthum36 der Kirche des37 Heil. Zeno, des38 Patrons der Stadt. eines wohlbehäglichen lachenden Heiligen.

Das Weben der Eidexen auf den Stufen des Amphitheaters in der Abendsonne.


––––––


Ich habe Wunder gedacht wie deutlich ich dir die Italiänische Uhr machen wollte und sehe meine Methode war nicht die beste. In39 deß ist das Zirckel werck und die Tabelle unten an noch besser als meine Auslegung und wird in der Zukunft dienen.


Verzeichniß der mitgenommen Steine.

Verona

26 Rother Veronesischer Marmor

27 Bronzino.

28 Weiser Kalckstein von dem sie Statuen arbeiten

29. Basalt Geschiebe.

Vicenz

30 Lava vom Monte Berico.

31 Kalksteine daher.

32. Kalcksteine woraus sie in Vicenz schöne Platten arbeiten.

33. Kalckstein den sie nach Belieben sägen und zuschneiden.

34. Basalt aus dem sie schöne Platten hauen die hallen zu pflastern und mit dessen kleinre Stücken sonst gepflastert wird.

35 Eine Lava die sie auch zu Platten zu hauen.

  1. nach Zapfen Komma get ↑
  2. das > die  ↑
  3. grose > Grose  ↑
  4. das u in unten aus dem Ansatz zu einem  ↑
  5. iedes > ieder  ↑
  6. S → ein  ↑
  7. pp erg ↑
  8. sezten > setzten  ↑
  9. Palazzo > Pallazzo  ↑
  10. ein > Die  ↑
  11. N → Eine  ↑
  12. mittelstande > Mittelstande  ↑
  13. bad auf > bald auf  ↑
  14. weis > weiß  ↑
  15. doppelt unterstrichen ↑
  16. von Tintoret erg ↑
  17. die Kr → die Krönung  ↑
  18. besizen > besitzen  ↑
  19. doppelt unterstrichen  ↑
  20. 4 > 5  ↑
  21. 4. > 5.  ↑
  22. in der ietzigen Jahrszeit mit Bleistift erg ↑
  23. von → auch  ↑
  24. S → Zeiger  ↑
  25. nach Tage get 5 → 7  ↑
  26. und bis nach erg ↑
  27. bald erg ↑
  28. das NB. erg, mit einem durchgehenden Strich abgetrennt, am Fuß der vorherigen Seite, die mit Sie haben endet ↑
  29. und > Und  ↑
  30. Komma erg ↑
  31. nach vom Einfügungszeichen get ↑
  32. weitläufich > weitläufig  ↑
  33. v → im  ↑
  34. danach Rest des Blattes, ca zwei Fünftel, unbeschrieben ↑
  35. nach ich get die  ↑
  36. Althrthum → Alterthum  ↑
  37. eines → des  ↑
  38. eines → des  ↑
  39. in > In  ↑

H: GSA 27/9


Das Tagebuch ist durchweg von Goethe eigenhändig geschrieben, mit unterschiedlich kräftiger schwarzer und blasserer, bräunlicher Tinte. Es besteht aus fünf »Stücken«, vergilbten Quartblättern von leicht differierender Größe: ca 142–170 × 207–215 mm.

Jedes »Stück« ist foliiert. Lose am Ende beiliegend zwei Blätter: der zum »Dritten Stück« gehörende Vergleichungs Kreis der italiänischen und teutschen Uhr (siehe S. 220) und ein Entwurf dazu.

Nicht enthalten sind bei den fünf »Stücken« die Zeichnungen, die Goethe auf Extrablättern anfertigte und teilweise im Tagebuch, anfangs mit Nummern versehen, angab; siehe den Abschnitt: Zum »Reise-Tagebuch 1786« gehörige separate Zeichnungen (S. 568–569).

Wie alle Freunde Goethes war zwar auch Charlotte von Stein über sein Reisevorhaben uninformiert geblieben, aber ihr allein wandte er sich im »Reise-Tagebuch« zu, das er ihr ausdrücklich widmete (siehe S. 175, 23) und am 18. September 1786 erstmals brieflich ankündigte (WA IV 8, 23): Ich habe ein treues Tagbuch geführt und das Vornehmste was ich gesehn was ich gedacht aufgeschrieben und nach meiner Rechnung kannst du es in der Mitte Oktbr. haben. 〈…〉 Sag aber niemanden etwas von dem was du erhältst. Es ist vorerst ganz allein für dich. Der geschätzte Empfangstermin deutet darauf hin, daß Goethe zunächst »Stück« 1 und 2 des Tagebuchs übersenden wollte. Dann scheint er sich anders besonnen und es erst aus Venedig, ergänzt um »Stück« 3 und 4, abgeschickt zu haben (siehe Tgb 13. Oktober; S. 286, 8–10). Am 14. Oktober 1786 beauftragte er seinen Diener Philipp Friedrich Seidel brieflich (WA IV 8, 36): Sage der Frau von Stein: das versprochene Tagebuch würde später kommen, weil es nicht mit der Post, sondern mit Fuhrleuten ginge. Diese Sendung aus Venedig stand jedoch am Jahresende versehentlich noch ungeöffnet in Goethes Haus (vgl seinen Brief an Philipp Friedrich Seidel vom 30. Dezember 1786), so daß seine Absicht, Frau von Stein schnellstmöglich eingehend zu informieren, verfehlt wurde, und er bereute (Brief vom 17.–20. Januar 1787; WA IV 8, 139): Warum schickt ich dir nicht das Tagebuch von jeder Station! Das fünfte und letzte »Stück« sandte Goethe am 12. Dezember aus Rom (siehe S. 318, 12–15), nachdem sich sein Vorhaben, das Tagebuch dort fortzuführen, nicht hatte verwirklichen lassen (an Charlotte von Stein, 7.–11. November 1786; WA IV 8, 47): 〈…〉 hier ⟨in Rom⟩ wollt ich es fortsetzen allein es ging nicht. Auf der Reise rafft man auf was man kann, jeder Tag bringt etwas und man eilt auch darüber zu dencken und zu urtheilen. Hier kommt man in eine gar große Schule, wo Ein Tag soviel sagt und man doch von dem Tage nichts zu sagen wagt. Und nochmals an Charlotte von Stein (17.–20. Januar 1787; WA IV 8, 139–140): In Rom konnt ich nicht mehr ⟨Tagebuch⟩ schreiben. Es dringt zu eine grose Masse Existenz auf einen zu, man muß eine Umwandlung sein selbst geschehen laßen, man kann an seinen vorigen Ideen nicht mehr kleben bleiben, und doch nicht einzeln sagen worinn die Aufklärung besteht.

Die Intention, die in Weimar verbliebene Empfängerin des Tagebuchs fortlaufend zu informieren, verband Goethe damit, sich selbst Aufzeichnungen für spätere Verwendungszwecke zu machen. Deshalb gab er Charlotte von Stein kund (14. Oktober 1786; WA IV 8, 30–31): Anfangs gedacht ich mein Tagebuch allgemein zu schreiben, dann es an dich zu richten und das Sie zu brauchen damit es kommunikabel wäre, es ging aber nicht es ist allein für dich. Nun will ich dir einen Vorschlag thun. / Wenn du es nach und nach abschriebst, in Quart, aber gebrochne Blätter, verwandeltest dasDuinSieund liesest was dich allein angeht, oder du sonst denckst weg; so fänd ich wenn ich wiederkomme gleich ein Exemplar in das ich hinein korrigiren und das Ganze in Ordnung bringen könnte. Umfassend redigiert wurde das »Reise-Tagebuch 1786« erst zwischen Ende 1813 und 1815 für den Abdruck innerhalb der Autobiographie »Aus meinem Leben. Zweyter Abtheilung Erster Theil: Italienische Reise. Auch ich in Arkadien« (Stuttgart, Tübingen 1816; der Titel »Italiänische Reise« erst in: Goethe’s Werke. Vollständige Ausgabe letzter Hand. Bd 27. Stuttgart und Tübingen 1829). Nach der Rückkehr von Italien benutzte Goethe es teilweise als Quelle für seine Artikelserie »Auszüge aus einem Reisejournal«, die 1788–1789 anonym in Wielands Zeitschrift »Der Teutsche Merkur« erschien.

Eine nach Goethes brieflichem Vorschlag angefertigte oder eine andersartige Abschrift muß zustande gekommen sein, denn er verweigerte sie Herder, der sie für seine Italienreise erbeten hatte: Die Abschrift meines Reise Journals gäbe ich höchst ungerne aus Händen, meine Absicht war sie ins Feuer zu werfen. (Ende Juli/Anfang August 1788; WA IV 9, 8) Diese Absicht wurde wohl später noch verwirklicht, denn vom »Reise-Tagebuch 1786« ist keine Abschrift überliefert. Caroline Herder konnte es »nach 1791« lesen (HB 6, 311); ob abschriftlich oder original, läßt sich nicht ausmachen. Auch wann und wie Goethe seine Handschrift von Charlotte von Stein zurückerhalten hat, ist nicht mehr zu rekonstruieren.

Die fünf »Stücke« des Tagebuchs sind bis zum Herbst 1996 (bis zur Verfilmung für den unter D genannten Faksimiledruck) eingebunden gewesen in einem ca 3 mm dicken braun-beige marmorierten Pappeinband. In Golddruck steht auf dem Rücken des nun lose beiliegend aufbewahrten Einbandes, zwischen horizontalen Zierleisten, auf schwarzem Untergrund: »Italiänische / Reise. / 1786.« Genaues Alter des Einbandes und des Aufdrucks sind unbestimmbar. Sie scheinen aus der zweiten Hälfte des 19. Jh herzurühren. Die Innenseiten des Einbandes bestehen aus leicht grauem, gröberem Papier. Auf dem Nebenblatt der vorderen Innenseite steht rechts oben mit Rötel der Vermerk: 24.


Erstes Stück:

33 Quartblätter, ca 170 × 210 mm, einschließlich des Titelblatts. Vergilbtes Schreibpapier, am rechten Rand meist etwas ungerade beschnitten. Vertikal auf Mitte gebrochen.

Die Zählung, mit Bleistift und jeweils Vs rechts oben, beginnt nach dem Titelblatt und überspringt das folgende, unbeschriebene Blatt. Außerdem sind unbeschrieben: Titelblatt Rs, Bl 23 Rs (letztes Blatt der Note a), Bl 27 (zwischen Note c und Note d), Bl 31 Rs (Schlußblatt).

Auf ganzer Breite beschrieben ist Bl 18 (d. 9 Sept. 86 Abends. bis G; siehe S. 175,20–176,6). Ansonsten wurde zunächst nur die rechte Hälfte der gebrochenen Blätter beschrieben und die linke dann für Ergänzungen genutzt. Die Ergänzung d 6. S. (S. 169,9) wurde erst mit Bleistift geschrieben und dann mit Tinte nachgezogen.

Innerhalb des Textes auf Bl 26 Rs Zeichnung: Fig 1 und 2, 80 × 50 mm, Feder mit schwarzer Tinte (S. 180; Corpus V B, Nr 50).


Zweytes Stück:

35 Quartblätter, einschließlich des Titelblatts. Papier, Format und Brechung wie im »ersten Stück«.

Die Zählung, mit Bleistift und jeweils Vs rechts oben, beginnt auf dem Titel und dann neu auf dem Blatt mit dem Eintrag Trent d. 10 Sept. (S. 187). Dieses Blatt, wie auch das folgende, trägt zweifache Paginierung: 1 und 5 bzw. 2 und 6. Unpaginiert sind das Schlußblatt und je ein unbeschriebenes Blatt vor Bl 21 (vor Note a; S. 200) und vor Bl 24 (vor Note d; S. 202). Letzteres ist zudem am oberen Rand unaufgeschnitten.

Ferner sind unbeschrieben: Titelblatt Rs, Bl 2 Rs (Vs: Übersicht der Stationen) und Bl 3–4 der ersten Zähleinheit.

Auf ganzer Breite beschrieben ist Bl 26, Verzeichniß der Gebirgsarten (S. 204). Ansonsten überwiegend nur rechtsseitig beschrieben, in der linken Hälfte gelegentliche Ergänzungen. Bl 15 Vs Ergänzung mit Bleistift: unter dem 45 Gr. 50 Min (S. 196,25).

Innerhalb des Textes, auf der linken Hälfte von Bl 3 Rs (der zweiten Zähleinheit) stark verblaßte Zeichnung mit Bleistift (ca 100 × 75 mm; Faksimile auf S. 189; Corpus VI A, Nr 273, dazu der Vermerk: »Nicht reproduzierbar.«; auch in WA III 1 nicht abgebildet), zur Veranschaulichung des Satzes (S. 188,14–16): Uber lange niedrige Lauben sind die Stöcke gezogen und die blauen Trauben hängen gar zierlich und reich von der Decke herunter.


Drittes Stück:

53 paginierte Kleinquartblätter und unpaginiertes Titelblatt; geripptes Papier, auf voller Breite beschrieben, nur schmaler linksseitiger Rand. Format bis Bl 29: ca 153 × 215 mm; ab Bl 30: ca 142 × 207 mm.

Die Paginierung, mit Bleistift und jeweils Vs rechts oben, springt von 15 auf 17. Das unpaginierte Bl 16 (150 × 217 mm) mit der inkorrekten, nicht eigenhändigen Bleistiftaufschrift »gehört zu pag 66 Rückseite« und mit dem Vergleichungs Kreis der italiänischen und teutschen Uhr (S. 220) »fand sich, nebst einem ⟨mittels Bleistift ausgeführten⟩ Entwurf auf grauem Packpapier ⟨ca 210 × 270 mm⟩, lose in einem kleinen dies Thema umfassenden Convolut vor« (WA III 1, 366). Der mit Zirkel und Tinte gezogene Vergleichungs Kreis hat einen Durchmesser von 49 mm, der handgezeichnete unregelmäßige Entwurfskreis von ca 85 mm. Die Stundenangaben im Kreis und die darüber bzw darunter stehenden Worte Mittag und Mitternacht sind mit Bleistift eingetragen. Der Entwurf ist stark vergilbt und liegt zusammen mit Bl 16 der Handschrift zum »Reise-Tagebuch 1786« am Ende gesondert bei.

Unbeschrieben sind Titelblatt Rs, Bl 15 Rs (nach: Ein Caligula pp. ⟨S. 219,15⟩), Bl 20 Rs (nach: und wird in der Zukunft dienen. ⟨S. 225,4–5⟩), Bl 21 Rs (nach Nr 35 im Verzeichniß der mitgenommen Steine. ⟨S. 225,19⟩) und am Ende Bll 47 Rs bis 53.

Auf Bl 17 Vs mit Bleistift die Ergänzung in der ietzigen Jahrszeit (S. 221,25).

Innerhalb des Textes auf Bl 33 Vs Zeichnung, 35 × 37 mm, Feder mit schwarzer Tinte (S. 233; Corpus VI A, Nr 118).


Viertes Stück:

61 Kleinquartblätter, ca 143 × 210 mm. Papier und Zeilenbreite wie »Drittes Stück«.

Die Zählung, mit Bleistift vorgenommen, beginnt nach dem Titelblatt und befindet sich bis Bl 54 rechts oben, dann links unten.

Leer sind Titelblatt Rs, ein unpaginiertes Blatt nach Bl 8 (nach: Schon die drey Tage die ich hier bin; S. 254,11) und Bll 55 Rs, 56 Rs und 57 Rs bis 59. Mit Bleistift ergänzt auf Bl 31 Vs (S. 271,3): (Erygnium maritimum.)

Zeichnungen innerhalb und am Ende des Textes:

Bl 6 Rs (S. 252): Säulen der Kolonnaden des Dogenpalastes in Venedig, 22 × 40 mm, Feder mit schwarzer Tinte; Corpus VI A, Nr 136.

Bl 23 Rs (S. 262): Gebälk vom Tempel des Antoninus und der Faustina in Rom, ca 165 × 143 mm, durchkopierte Umrißzeichnung nach Palladio (siehe Erläuterung 263,7–8) mit Bleistift, stark verblichen; Corpus VI A, Nr 132 (mit dem Vermerk: »Nicht reproduzierbar.«); auch in WA III 1 nicht abgebildet.

Bl 55 Vs (S. 287): Avocato Reccaini. Ca 210 × 143 mm, Bleistift und Feder mit Tusche und Bister; mit Tinte betitelt, mit Bleistift der Zusatz ad pag. 15. (= S. 258,20–24); Corpus VI A, Nr 119; in WA III 1 nicht abgebildet.

Bl 56 Vs (S. 288): Profil der Mauern bey Palestrina. 60 × 143 mm, gezeichnet und betitelt mit Feder und Bister; mit Bleistift der Zusatz ad pag. 43. (= S. 278,33–279,4); Corpus VI A, Nr 137; in WA III 1 nicht abgebildet.


Fünftes Stück:

36 Kleinquartblätter, einschließlich des Titelblatts, bis Bl 26 ca 146 × 214 mm, ab Bl 27 ca 143 × 210 mm. Papier und Zeilenbreite wie »Drittes Stück«. Paginierung mit Bleistift und jeweils Vs links unten.

Unbeschrieben sind Titelblatt Rs, Bl 2 (gleich auf das Titelblatt folgend), Bl 34 Rs (nach dem letzten Tgb-Eintrag), Bl 35 Rs (nach Gesteinsverzeichnis) und Bl 36.

Auf Bl 16 Vs mit Bleistift erg 8 und NB auch findet sich reiner Gypsspat 9 (S. 303,11). Außerdem im gesamten »Stück« zahlreiche Korrekturen mit Bleistift.


Notizen und Entwürfe zu H:

Auswahlweise mitgeteilt innerhalb der Paralipomena zu IR 1 in WA I 30, 297–300. Zu ihnen gehört auch der unter »Drittes Stück« angeführte Entwurf zum (S. 220 abgebildeten) Vergleichungs Kreis der italiänischen und teutschen Uhr.


D:

Friedrich Wilhelm Riemer: Mittheilungen über Goethe. Aus mündlichen und schriftlichen, gedruckten und ungedruckten Quellen. Bd 2. Berlin 1841. S. 208–213 und 219 (zitathafte Auszüge)

SchrGG, Bd 2: Tagebücher und Briefe Goethes aus Italien an Frau von Stein und Herder. Mit Beilagen. Hrsg von Erich Schmidt. Weimar 1886. S. 9–214 (vollständiger Erstdruck, aber ohne die zum »Reise-Tagebuch 1786« gehörigen separaten Zeichnungen)

WA III 1, 143–331, udT: Tagebuch der Italiänischen Reise für Frau von Stein. (ohne die dazugehörigen Gesteinsverzeichnisse und separaten Zeichnungen)

Johann Wolfgang Goethe: Reise-Tagebuch 1786 (Italienische Reise). Bd 1–2. Hrsg von Konrad Scheurmann und Jochen Golz mit Transkription von Wolfgang Albrecht. Mainz 1997 (Faksimiledruck von H ohne die separaten Zeichnungen und ein Beiheft, lose beiliegend das Blatt mit dem Vergleichungs Kreis der italiänischen und teutschen Uhr und der Entwurf dazu)



Zum »Reise-Tagebuch 1786« gehörige separate Zeichnungen


Einen Teil der Zeichnungen, die auf der Reise nach Rom entstanden, numerierte Goethe und sandte sie zusammen mit dem »Reise-Tagebuch«, worin sie – meist mit Nummernangabe – erwähnt sind, an Charlotte von Stein. 1788, nach der Heimkehr, vereinigte er die Hauptmasse der in Italien angefertigten Zeichnungen zu einem gehefteten Sammelband (beschrieben von George von Graevenitz in: GJb 1911, S. 12–18), zu dessen erster Abteilung die nachfolgend aufgelisteten Zeichnungen gehört haben. Dieser Sammelband ist dann, zwischen den beiden Weltkriegen, im Zuge von Neuordnungen des Goethe-Nachlasses aufgelöst worden.

Der nachstehenden Abfolge entsprechend finden sich die Zeichnungen, als Abbildung 1–15, nach S. 321 des Textbandes.

Wenn nicht anders angegeben, sind die Beschriftungen eigenhändig mit Bleistift.


No 1 Posthaus Zwota

MSWK: InvNr 145. Corpus II, Nr 1.

174 × 305 mm, blaugraues Papier mit Stockflecken. Bleistift, Kohle. Beschriftung Rs.


No 2 Donau

MSWK: InvNr 146. Corpus II, Nr 5; dort betitelt: Donau bei Regensburg.

186 × 316 mm, weißes Papier. Bleistift (gelöscht), Feder mit Tusche.


No. 2b Donau

MSWK: InvNr 146 Rs. Corpus II, Nr 5; dort betitelt: Kalkfelsen bei Saal a. d. Donau.

Auf No. 2 Rs. Bleistift.


3. Cochl

MSWK: InvNr 147. Corpus II, Nr 7; dort betitelt: Kochelsee-Ufer.

186 × 307 mm, weißes Papier, stark vergilbt. Bleistift.


No 3b gegen den Cochl. See

MSWK: InvNr 147 Rs. Corpus II, Nr 7; dort betitelt: Kochelsee-Ufer von entfernterem Standpunkt.

Auf No 3 Rs. Bleistift.


No 4 Am Walch See

MSWK: InvNr 148. Corpus II, Nr 9; dort betitelt: Walchensee-Ufer.

174 × 308 mm, blaugraues Papier mit Stockflecken. Bleistift. Beschriftung Vs.


No. 5 Cirl

MSWK: InvNr 149. Corpus II, Nr 10; dort betitelt: Vom Gebirge umschlossenes Tal bei Zirl.

174 × 309 mm, blaugraues Papier mit Stockflecken. Bleistift. Beschriftung Vs.


Brenner

MSWK: InvNr 150. Corpus II, Nr 11; dort betitelt: Gegen den Brenner. (Es ist aber nur noch der Name zu erkennen.)

186 × 305 mm, braunes Papier. Bleistift, Kohle. Beschriftung Vs (Titel) und RS: 6.


Brenner

MSWK: InvNr 152 Rs. Corpus II, Nr 12; dort betitelt: Brennerpaß.

188 × 306 mm, stark vergilbtes, einst weißes Papier. Bleistift. Bei der Beschriftung noch eine unleserliche Zahlenangabe.


Roveredo

MSWK: InvNr 151. Corpus II, Nr 13; dort betitelt: Rovereto a. d. Etsch.

186 × 315 mm, weißes Papier. Bleistift, Feder mit Tusche, Tuschlavierung. Beschriftung Rs (Titel) und Vs: 7. (Rs findet sich ferner die kaum noch erkennbare Skizze einer mehrjochigen Brücke.)


Hafen von Torbole

MSWK: InvNr 156. Corpus II, Nr 15; dort betitelt: Hafen Torbole am Gardasee.

188 × 306 mm, vormals weißes und jetzt stark vergilbtes Papier. Bleistift. Beschriftung Rs (Titel) und Vs: 8.


Lago di Garda

MSWK: InvNr 153. Corpus II, Nr 14; dort betitelt: Gardasee, vom Hafen Torbole gesehen.

188 × 306 mm, vormals weißes und jetzt stark vergilbtes Papier. Bleistift. Beschriftung Rs (Titel) und Vs: 9.


L. d. G.

MSWK: InvNr 152. Corpus II, Nr 12; dort betitelt: Gardasee mit Riva, Monte Brione und Torbole.

188 × 306 mm, weißes Papier mit braunen Farbflecken. Bleistift. Beschriftung Vs: Titel und 10.


Castel di Malsesine al Lago di Garda

MSWK: InvNr 154. Corpus II, Nr 16; dort betitelt: Castell Malcesine am Gardasee.

186 × 309 mm, ursprünglich weißes, vergilbtes Papier. Bleistift. Beschriftung Vs: Titel und 11.


Venedig

MSWK: InvNr 155. Corpus II, Nr 22; mit gleichem Titel.

187 × 314 mm, graubraunes Papier mit Stockflecken. Bleistift, schwarze Kreide. Beschriftung Rs. Laut WA III 1, 364 muß früher noch die Bezifferung erkennbar gewesen sein: 12.

una dopo notte] Eine [Stunde] nach [Anbruch der] Nacht. Siehe hierzu den Vergleichungs Kreis der italiänischen und teutschen Uhr, S. 219.

Bra] Piazza Brà (Wiesenplatz), beim Amphitheater.

Garten] Siehe übernächste Erläuterung.

mein Begleiter] Vielleicht ein Fremdenführer.

Garten Giusti] Angelegt 1580 von Agostino Giusti (Lebensdaten nicht ermittelt). Volkmann, Bd 3, S. 701: »Der Garten des Grafen Giusti bey dem Kastell S. Felice, hat eine herrliche Lage auf einer Höhe ⟨am westlichen Ufer der Etsch⟩, von der man die Stadt und die ganze Gegend nicht ohne Vergnügen betrachten kann. Man sieht in demselben insonderheit vortreffliche Cypressen.« Den schönen Ausblick aus dem Garten vermerkte Goethe 1790 in einer Notiz (WA III 2, 8).

Taxus] Eibenbäume.

älter] Vielmehr jünger; vgl die vorletzte Erläuterung.

Verehrung wehrt] Goethe aus Rom an den Weimarer Freundeskreis, 2. Dezember 1786 (WA IV 8, 72): Über die Cypresse, den respecktabelsten Baum, wenn er recht alt und wohl gewachsen ist, hab ich noch nicht genug gedacht 〈…〉. Spätere Resultate des Nachdenkens enthalten das »Divan«-Gedicht »In tausend Formen magst du dich verstecken« (WA I 6, 197) und der nachgelassene Aufsatz »Über die Spiral-Tendenz der Vegetation« (WA II 7, 35–68; andere Textzusammenstellung in: LA I 10, 339–365).

balanziren] Hier: optisch und ästhetisch im Gleichgewicht halten.

Davon einander mal] Nicht geschehen.

Fiera] Markt; ein sternförmig angelegter Gebäude- und Gassenkomplex, über den Volkmann (Bd 3, S. 699) schreibt: »La Fiera oder das Gebäude, wo die beyden Jahrmärkte im May und November gehalten werden, ist auch eine von den schönen Anstalten des Marquis Maffei, als er Proveditore ⟨Inspektor⟩ der Stadt war. Es sind eigentlich viele Häuser und Buden, die nach einen regulären Plan sehr bequem eingerichtet sind.«

Institut] Einrichtung; im Sinn von lat institutio.

Gallerie des Pall. Gherhardini] Die Sammlung im Palazzo Gherardini (siehe die übernächste Erläuterung) ist späterhin verstreut worden.

entschlafnen Simson] Von Alessandro Turchi (Orbetto); heute im Louvre. Das Sujet variiert nach Buch der Richter 16, 19.

Andres verschweig ich] Volkmann (Bd 3, S. 700) hebt hervor: Beim Marquis Gherardini »trifft man insonderheit vortreffliche Stücke von Alessandro l’Orbetto an, worunter die Anbetung der Könige ein Meisterstück ist«.

Pall. Canossa] Um 1530 von Michele Sanmicheli erbaut.

Danae] Kunstwerk nicht ermittelt. Bezug zur mythischen Figur im Tgb 8. Oktober 1786; S. 277,14–17.

Fische vom Bolka] Fossilien vom Monte Bolca, östlich Veronas. Volkmann (Bd 3, S. 706) verweist darauf: »Außer den Fischen trifft man hier auch Abdrücke verschiedener Pflanzen, aber keine Muscheln an.« Goethe hat späterhin einige dieser Fischabdrücke erworben; siehe Prescher, S. 133, Nr 2185–2189 und die Erläuterung dazu.

gesagt] Tgb 16. September 1786, S. 212–213.

in Kupfer gestochen] Bei Maffei.

Dreyfuß] Siehe zu 213,19.

Pallast des Proveditor] An der Piazza Brà gelegenes unvollendetes, aber nach Volkmann (Bd 3, S. 692) »schönes Gebäude für den Proveditore«, den Stadtinspektor (provveditore), »welches unten mit Arkaden und oben im ersten Stockwerke nach dorischer Ordnung gebauet ist. Unter den Arkaden ist die Hauptwache.« Es wurde erst gegen Mitte des 19. Jh ausgebaut.

Nobili] Stadtadlige.

Unterhaltung] Siehe zu 209,24.

Inschrift] »Sie lautet (Maffei ⟨Degli Anfiteatri⟩ hat sie nicht) nach Nathan Chyträus: Variorum itinerum deliciae (1594): Hieronymo Marmoreo ⟨nicht Maurigenus⟩ V. C. cuius incredibili studio, dum urbi praeest, quod temporis iniuria huic amphitheatro perierat, reddi coeptum est, Veronenses P. P. MDLXIX.« (Goethes Werke. Nach den vorzüglichsten Quellen revidirte Ausgabe. Theil 24. Hrsg von Heinrich Düntzer. Berlin ⟨1877⟩, S. 636.) Übersetzung: »Dem Andenken des Stadtoberhauptes Hieronymus Marmoreus, dank dessen außerordentlichem Eifer, während er an der Spitze der Stadt stand, begonnen wurde, diesem Amphitheater das zurückzugeben, was durch die Unbilden der Zeit zugrunde gegangen war, errichtet von der Bürgerschaft Veronas 1569.«

Notte, die 24ste Stunde] Mitternacht, in der zweiten Septemberhälfte; 5 Uhr nach deutschem Stundenmaß. Siehe dazu den Vergleichungs Kreis, S. 219–220.

Bra] Piazza Brà (Wiesenplatz), beim Amphitheater.

Zendale] Die typische Tafthaube in Venetien.

Bärten] Bändern.

Casa Bevi l’aqua] Im Palazzo Bevilacqua, nach 1530 von Michele Sanmicheli erbaut, befand sich eine der berühmtesten Kunstsammlungen Veronas. Sie wurde während der napoleonischen Zeit nach Paris verbracht, dann teilweise zurückgegeben und verkauft.

Ein Paradies] Gemeint ist Tintorettos farbige Skizze zu seinem Gemälde im Dogenpalast zu Venedig, die Goethe dem ausgeführten Bild vorzog; siehe Tgb 4. Oktober 1786 (S. 263,19–21). Sie befindet sich seit 1799 im Louvre.

Fus] Siehe zu 171,27.

4 Zoll] In Sachsen-Weimar-Eisenach ca 9,3 cm. Ein Zoll war der zwölfte Teil eines Fußes.

Ein Paar Portraits von Paolo Veronese] Darunter eine »Junge Frau mit einem Knaben an der Hand«, die sich ebenfalls im Louvre befindet.

Ein Endymion] Es handelt sich um die römische Kopie »eines getödteten Sohnes der Niobe, den man fälschlich bisher für einen schlafenden Endymion gehalten« (B.⟨althasar⟩ Speth: Die Kunst in Italien. Th. 1. München 1819, S. 88). Dementsprechend korrigierte Goethe in IR 1: ein hingestreckter Sohn der Niobe (WA I 30, 70). Die Plastik, 1811 mit anderen Stücken der Sammlung Bevilacqua durch Kronprinz Ludwig von Bayern (1786–1868) erworben, steht heute in der Münchener Glyptothek. Zu Niobe siehe Erläuterung 261,26–27.

August] Eine postume Statue des Kaisers Augustus; ebenfalls von Kronprinz Ludwig für die Glyptothek gekauft.

Corona civica] Bürgerkrone; so auch in IR 1 (WA I 30, 70). Sie wurde dem Kaiser zusammen mit dem Beinamen »Augustus« (der Ehrwürdige) vom römischen Senat und Volk verliehen, als er ihnen nach geendigten Bürgerkriegen 27 vChr formal die Herrschergewalt übergab, um sie sich von ihnen sogleich wieder offiziell übertragen zu lassen.

Ein Caligula] Zu dieser Plastik nichts Näheres ermittelt.

Uhr] Die nachfolgenden Darlegungen wurden überarbeitet für die Artikelserie »Auszüge aus einem Reisejournal«, Abschnitt 3: »Stundenmaß der Italiener« (1788 anonym im Oktober-Heft des »Teutschen Merkurs« publiziert; WA I 32, 341–344). Bewußt zu halten ist, daß diese aus dem 14. Jh herrührende Stundenzählung keineswegs mehr dem zeitgenössischen Leben vollauf gemäß und deshalb bereits in einigen italienischen Kleinstaaten abgeschafft worden war.

Cimmerier] Ein in ewiger Nacht und Nebligkeit, nahe beim Eingang zur Unterwelt, lebendes mythisches Volk; nach Homers »Odyssee« XI, 14–19.

Epoche] Hier: regelmäßig wiederkehrender Einschnitt und Beginn eines neuen Zeitraums im Tagesablauf; siehe GWb 3, Sp 222.

intrinsec] Innig, innerlich; IR 1 (WA I 30, 71): innigst.

Bra] Piazza Brà (Wiesenplatz), beim Amphitheater.

Porta nuova] Erbaut von Michele Sanmicheli 1533–1540.

Ave maria della sera] Gegrüßet seist du Maria zum Abend; katholisches Abendgebet.

Pothal] Südlich von Verona.

Meere] Mittelmeer.

im vorhergehenden gemeldet] Siehe »zweytes Stück«, Note a; S. 201.

Porta del Pallio] Siehe zu 211,15.

Das dunckle Alterthum bis Zeno] Über das ungewisse Alter der Kirche San Zeno Maggiore heißt es bei Volkmann (Bd 3, S. 697): »Die Abtey des heiligen Zeno soll bereits vom Pipino ⟨um 777–810⟩, dem Sohne Carls des Großen ⟨742–814⟩ gestiftet seyn. Die Thüren sind von Bronze, und werden geschätzt.« Die für die Entwicklungsgeschichte des romanischen Stils bedeutende Kirche wurde bereits im 7. Jh geweiht. Um- und Erweiterungsbauten erfolgten im 9. und im frühen 12. sowie im frühen 15. Jh. Über die Bronzetüren fällte Goethe bei der Wiederbesichtigung 1790 ein abschätziges Urteil (WA III 2, 7–8).

lachenden Heiligen] So dargestellt in einer Sitzplastik, sogenannter »lachender Zeno«, im Chorraum. In Rom interessierte Goethe dann der humoristische Heilige Philipp Neri; siehe erste Erläuterung zu 341,13.

Weben] Schnelle Beweglichkeit; Lebendigkeit.

Verzeichniß] Prescher, S. 265, Nr 4671–4680.

Bronzino] Zeitgenössischer Begriff für: Marmor.

Monte Berico] Kirchberg in Vicenza.

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
GT I, 17.9.1786 (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), in: https://goethe-biographica.de/id/GT01_1105.

Entspricht Druck:
Text: GT I 1, S. 216–225 (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), Stuttgart 1998.
Kommentar: GT I 2, S. – (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), Stuttgart 1998.

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