Tagebuch­eintrag: GT, Nr. 1084
8. September 1784, Mittwoch, Thale (?)

d. 8ten.1 Von Wendefurt hinabwärts an der Bude. Die Gesteinarten die wir bisher gefunden hatten, kamen zum Theil wieder und wechselten ab. Unter Ludwigs Hütte eine grünlich Quarzige Gesteinart mit dunckelgrünen und hellweisen Flimmern. Sie bricht in Rhombischen Tafeln deren Klüffte hor. 6 streichen. Die Queerklüffte hor. 12. (f) Dasselbe Gestein stärcker gemischt. das man, ohne die Verwandtschafft2 mit dem vorigen Schiefer3 zu4 sehen und zu kennen für Granit halten sollte. (g)

Das Quarz artige Schiefrige5 Gestein dauert immerfort. Spaltet6 und blättert sich mehr oder weniger7 wird dunckler und heller. ohne Abänderungen die Bemerckt zu werden verdienten.

Wohl eine Stunde unter Dreseburg entdeckt ich weise Steine im Flusse deren blendende Weisse8 mich bewog einen aufzuheben ob ich ihn schon9 für Quarz hielt ich entdeckte daß es ganz weisser Feldspat sey10 in dem manchmal Kiespunkte vorkommen. Der Fischer sagte es sey den Flus hinauf aber noch unter Dreseburg auf einem solchen11 Gange gebaut worden und die im Flusse liegenden Kiesel seyn das Gestein das man aus der Grube geschafft. Ich erinnerte mich der Adularia des Pini und es wird näher zu untersuchen seyn.12 Weiter hin13 immer das Quarz Gestein. Bald feste bald schiefrig im ganzen Rhombisch14 manchmal die Rhomben in geschwungene Blätter getheilt.

ich fand einen Felsen der an der Seite durch wasser und Wetter angegriffen war er war gegittert. Das Wetter hate die weicheren schiefertheile verzehrt und die Quarzklüffte waren stehen geblieben.

die Schiefer setzten15 hor 12 durch den Fluß. ihre Schärfen waren16 sehr glat. doch nur wenig abgestumpft. dieser Charackter bleibt ihnen durch aus,17 auch den Bruchstücken18 bleibt im Wasser ihr vielkantiges schönes Ansehn.​+19

Am Engen Weeg, |: so wird der Ort genannt wo die Bude sich zwischen engern Felsen hineindrängt :| fand sich die Scheidung zwischen Granit und Schiefer.

Der Schiefer20 war breiter ausgewaschen wie das Thal bisher. Der Granit schloß sich an und machte den engen Durchgang. Die Vorstehende Fläche wo das Wasser anschlägt streicht21 hor. 12.

In der Nähe der Scheidung ist das Q. Sch.22 Gestein sehr fest rhombisch, manchmal mit geschwungnen Blattern, |:​+23 ist sehr schweer, Schwarzgrau, giebt Feuer am Stahle aber nur wenig, an der Aussern Seite glanzend wie lacquirt (h)24 :| er ist in nichts von dem zu unterscheiden der weiter oben vorkommt. (i) Unmittelbar25 am Granit wird das Gestein26 ganz Quarzartig (K) |: woran wurcklich schon ein Stückgen Granit geblieben :| darneben mischt er sich mehr (l) und wird gleich völlig Granit (m) hat vom Wasser die Isabellgelbe Farbe wird Gleich27 daran weiser. (n) Diese Verändrunguen28 werden kaum einen Fuß breite einnehmen. Ich29 fand die Spuren eines Ganges von Schörl oder Hornblende der an der abgespülten Seite herging die Schörl Ablosung lief noch an der entblösten Seite her, und im Quarz waren Gegen Schörl trümer eingesprengt. (o) |: Unter dem Kessel fanden sich Stücke eines schwarzlichen Hornblendischen Granit doch selten (p) :| NB. in der nähe des Granits farbte sich der quarz im Schiefer roth.

NB. die30 ausführlichere Beschreibung des Granits unter dem Rosstrapp steht auf einem aparten Blatte.

  1. 8ten > 8ten Septbr. J 2 in A ↑
  2. Verwandschafft > Verwandtschafft  ↑
  3. vorigen und folgenden > vorigen Schiefer (Bleistiftkorrektur) ↑
  4. Schiefer zu > zu J 2 in A ↑
  5. Schiefrige erg ↑
  6. immerfort. Spaltet > immerfort, spaltet A ↑
  7. weniger > weniger, A ↑
  8. Weise → Weisse  ↑
  9. schon > immer J 2 in A ↑
  10. Feldspat sey > Kalkspat sey, A (aus Feldspat sey J 2 in A) ↑
  11. einem solchen > solchen J 2 in A ↑
  12. Ich bis seyn. in A get ↑
  13. him > hin  ↑
  14. schiefrig im ganzen Rhombisch > schiefrig, im ganzen Rhombisch, A ↑
  15. sezten > setzten  ↑
  16. Schärfen waren > Schärfe ware J 2 in A ↑
  17. aun → aus  ↑
  18. Bruckstücken > Bruchstücken  ↑
  19. Verweiszeichen anscheinend erg ↑
  20. Granit → Schiefer  ↑
  21. sp → streicht  ↑
  22. Q. Sch. erg ↑
  23. Verweiszeichen anscheinend erg ↑
  24. (h) erg ↑
  25. Ganz nahe > Unmittelbar  ↑
  26. gestein > Gestein  ↑
  27. gleich > Gleich  ↑
  28. gemeint Verändrungen  ↑
  29. ich > Ich  ↑
  30. der Granit ist → die  ↑

H: UB Leipzig, Bibliotheca Albertina, Slg. Hirzel B 165


Das foliierte Tagebuch umfaßt fünf vergilbte gerippte Doppelblätter und ein halbiertes (ca 160 × 197 mm), jeweils Vs rechts oben eigenhändig paginiert (1–11). Es ist auf ganzer Blattbreite, nur links einen schmalen Rand lassend, eigenhändig mit brauner und schwarzer Tinte beschrieben; Bl 11 Rs ist unbeschrieben. Einzelne Korrekturen und Ergänzungen wurden mit Bleistift vorgenommen.

Innerhalb des Textes zwei Gesteinszeichnungen: auf Bl 2 Rs, 45 × 70 mm, Feder mit brauner Tinte (S. 145; nicht im Corpus); auf Bl 7 Vs, 30 × 50 mm, Feder mit schwarzer Tinte (S. 151; nicht im Corpus).



h: GSA 26/LVII,14


Es handelt sich um eine Abschrift von Johann August Friedrich John, angefertigt im Oktober 1820 (Tgb 5. Oktober 1820: Mundum der Harzreise von 1784.). Sie befindet sich in einem Umschlag von derberem, vergilbt grauem Konzeptpapier (ca 210 × 350 mm), der mit schwarzer und brauner Tinte von zwei verschiedenen Schreiberhänden beschriftet ist: »Mineralogie und Geologie / enthaltend / a. Geologische Reise v. J. 1784 durch / Thüringen. / b. Den Dornburger Schlossberg betr. / v. J. 1830.«

Die Abschrift besteht aus 6 Doppelbättern (Foliobögen) grauen gerippten Papiers, ca 195 × 320 mm. Jede Doppelblatthälfte ist auf der Vorderseite rechts oben paginiert (1–12). Die Blätter sind vertikal auf Mitte gebrochen und nur rechtshälftig beschrieben; die Zeichnungen aus der Vorlage blieben weg.

Goethe hat die Abschrift eigenhändig mit Bleistift durchkorrigiert. Tgb 7. Oktober 1820: Harzreise von 1784. Tagebuch derselben. Von seinen Korrekturen sind im Variantenverzeichnis diejenigen aufgeführt (mit der Sigle A), die Varianten gegenüber H darstellen, nicht aber diejenigen, die Versehen betreffen und nur den ursprünglichen Text wiederherstellen. Sonstige Varianten der Abschrift (orthographische Abweichungen und abweichende Abkürzungen Johns ausgenommen) werden mit dem Zusatz »J 2 in A« verzeichnet.



Notizen und Entwürfe zu H:

Sie sind beschrieben und gedruckt in LA II 7, 121–126 als Texte 55 (c), (d) und (e) sowie 56; vollständig und mit verbesserten Lesungen gegenüber WA II 9, 409.


D:

WA II 9, 155–168, udT: Geognostisches Tagebuch der Harzreise.

WA bietet eine Mischform von H und h, ohne die beiden Zeichnungen innerhalb des Textes; h ist außerdem berücksichtigt in den Lesarten, WA II 9, 367–371.

Ludwigs Hütte] Eisenhütte südöstlich von Wendefurt, bei Altenbrak an der Bode.

Flimmern] Glänzende Mineraleinschlüsse und Fossilien.

im Flusse] In der Bode.

Adularia des Pini] Wasserhelle Kalifeldspate, von Ermenegildo Pini am Sankt Gotthard gefunden und beschrieben in seinen »Memoria«, die Goethe im November 1783 erworben hatte; Ruppert, Nr 4971. Auch eine 1784 erschienene deutsche Übersetzung besaß er (Ruppert Nr 4970). Während der Italienreise besuchte er Pini in Mailand; vgl Brief an Knebel, 24. Mai 1788.

Schiefer] Wissenbacher Schiefer des Mitteldevons.

+] Ob dieses Verweiszeichen und das S. 154,5 sich aufeinander beziehen, ist nicht sicher, zumal in der Abschrift (h; siehe Handschriftenbeschreibung S. 557) keine Umstellung erfolgte.

Am Engen Weeg] Zeichnung von Kraus »Enge Weg am Kessel nach dem Roßtrapp«, MSWK InvNr 2414.

Scheidung zwischen Granit und Schiefer] Zwischen dem die Bode durchbrechenden Granitmassiv des Rambergs und kontaktmetamorph veränderten Devongesteinen. Von Kraus gezeichnet; LA I 2, Tafel XII; Verzeichnis 1824, Nr 9.

Q. Sch.] Quarz Schiefer.

+] Für dieses Verweiszeichen gilt analog Erläuterung zu 153,27.

Isabellgelbe Farbe] Graugelb. Die Bezeichnung geht auf die spanische Prinzessin Isabella Clara Eugenie zurück, die 1601 gelobt haben soll, ihr Untergewand nicht eher zu wechseln, als bis sich das belagerte Ostende ihrem Mann, dem Erzherzog Albrecht VII. von Österreich (1559–1621) und Oberstatthalter der Niederlande, ergebe. Die Belagerung der niederländischen Stadt dauerte drei Jahre.

Schörl] Turmalin.

Kessel] Vielleicht das von Kraus gezeichnete Becken im Bodetal; LA I 2, Tafel XIII; Verzeichnis 1824, Nr 10.

Hornblendischen] Hornblende: Mineral.

Granits unter dem Rosstrapp] Gezeichnet von Goethe (unbetitelte Bleistiftzeichnung; Corpus V B, Nr 176) und von Kraus: LA I 2, Tafel XIV und XV, außerdem Zeichnung »Am Roßtrapp«, MSWK Inv Nr 2413; Verzeichnis 1824, Nr 11–13.

auf einem aparten Blatte] Notizen und vier Skizzen mit Bleistift: WA II 13, 292–295; LA I 1, 81–83 und II 7, 118–120; Corpus V B, Nr 172.

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
GT I, 8.9.1784 (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), in: https://goethe-biographica.de/id/GT01_1084.

Entspricht Druck:
Text: GT I 1, S. 152–154 (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), Stuttgart 1998.
Kommentar: GT I 2, S. 562–563 (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), Stuttgart 1998.

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